Welche Moral braucht es in der Data Economy?

Ethik und Moral sind Begriffe, welche für die meisten Menschen synonym füreinander stehen. In einer Diskussion über „Data Ethik“ muss dies hingegen stark differenziert werden. Ethik bedeutet das Nachdenken über die Moral. Moral hingegen vereinigt die Verhaltensregeln, Normen und Gesetze oder auch Vorschriften, auf die sich Gruppen in gewissen Kontexten eingelassen haben. Mit der zunehmenden Bedeutung der Informationstechnologien und insb. des Internet hat sich eine Moral im Umgang mit Daten entwickelt. Jeder Kulturkreis hat dabei für sich seine eigene Moral im Umgang mit Daten entwickelt. Dies zeigt sich z.B. beim Thema Zustimmung zur Datennutzung. Wo in Europa ein explizites Opt-In bei vielen Formen der personenbezogenen Datenerfassung notwendig ist, reicht im amerikanischen raum oftmals ein Opt-Out.


Andere Länder, andere Moral

Schlagzeilen wie „Peking will gläserne Unternehmen“ (Die Zeit, http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-03/netzpolitik-china-cybersicherheit-zensur-internet) klingen für Europäer abschreckend, sind aber in China wenig hinterfragter Alltag. Datenschutz hat innerhalb des politischen Systems in China andere moralische Grundzüge angenommen als in westlichen Ländern. Der Gedanke, dass Daten überhaupt ein schützenswertes Gut sein können, ist dort kaum bekannt.

Doch nicht nur in China wird mit Datenschutz anders verfahren: „Per Dekret hat US-Präsident Donald Trump am Mittwoch die Behörden in den USA aufgefordert, den Datenschutz für Ausländer aufzuheben“ (https://netzpolitik.org/2017/datenschuetzer-raetseln-schafft-trump-datenschutz-abkommen-zwischen-usa-und-eu-ab/, 27.01.2017). Auch in den USA hat sich eine andere Moral im Umgang mit Daten entwickelt, welche ihre Ursache vielmehr in der Weltweiten Unsicherheiten hat. Nicht nur ist der Datenschutz dort generell „lockerer“ als in Europa, es wird auch stark zwischen In- und Ausland unterschieden. Datenschutz für US-Bürger ja, für alle anderen nein.


Moral manifestiert sich in Datenschutzgrundverordnung

Direkt vor unserer Haustür findet wohl im nächsten Jahr der größte Wandel in der Data Moral statt: Die Anforderungen der europäischen Datenschutzgrundverordnung müssen bis zum 25. Mai 2018 umgesetzt werden. Vorschriften und Verordnungen sind nichts anderes als manifestierte, rechtlich bindende Moral. 27 Mitgliedsstaaten auf ein gemeinsames Vorgehen, d.h. auch auf eine gemeinsame Moral, zu verpflichten, war eine Mammut Aufgabe. Diese Aufgabe wurde nach jahrelangem Ringen abgeschlossen. Doch eine gemeinsame Moral erleichtert nicht nur den Umgang mit Daten innerhalb von Europa, es stärkt den europäischen Wirtschaftsraum auch im globalen Wettbewerb.

Dass neben Moral auch Daten Ethik eine zentralere Rolle innerhalb Europas spielt, erkennt man anhand der Bemühungen der Europäischen Kommission. Am 10. Januar 2017 bekannte sich die Europäische Kommission zum Aufbau einer Data Economy mit drei wesentlichen Zielen:

  • access to and transfer of non-personal machine-generated data,
  • data liability, and
  • portability of non-personal data, interoperability and standards.

Als wesentliche Erfolgsmerkmale sieht die EU dafür folgende Aspekte:

  • support "lighthouse" data initiatives capable of improving competitiveness, quality of public services and citizen's life
  • develop enabling technologies, underlying infrastructures and skills, particularly to the benefit of SMEs
  • extensively share, use and develop its public data resources and research data infrastructures
  • focus public R&I on technological, legal and other bottlenecks
  • make sure that the relevant legal framework and the policies are data-friendly,
  • accelerate the digitalisation of public administration and services to increase their efficiency,
  • use public procurement to bring the results of data technologies to the market.

(https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/towards-thriving-data-driven-economy)

Diese Formulierungen zeigen, dass Daten Ethik nicht eine leere Worthülle ist, sondern vielmehr, dass sich auf allen Ebenen intensiv über die Moral im Umgang mit Daten und deren Folgen ausgetauscht wird.


Positionierung im globalen Wettbewerb

Offen bleibt allerdings die Frage, wie sich die Europäische Union global bei Datenschutzfragen positioniert. Wie geht man um mit Staaten und Wirtschaftsräumen, deren Moralvorstellungen zum Datenschutz sich kulturell anders entwickelt haben? Wie stimmt man sich ab und ermöglicht ein reibungsloses Funktionieren einer Data Economy, die längst nicht mehr an Grenzen halt macht?

Bei dieser Frage sollte es darum gehen, mit welchen Moralvorstellungen im Rücken sowohl wirtschaftliche Interessen europäischer Unternehmen vertreten werden als auch Fairness gegenüber Konsumenten in anderen Ländern und Kulturkreisen gewahrt werden kann. Eine richtige oder falsche Moral kann es nicht geben, da der Umgang mit Daten in jeder Gesellschaft aus anderen Rahmenbedingungen erwachsen ist.

Für die Europäische Union und die dort tätigen Akteure gibt es noch viel zu tun, insb. viele Fragen zu beantworten: Ist es ethisch vertretbar unsere Sicht im Umgang mit Daten anderen Kulturkreisen aufzulegen? Welche Fragen müssen noch gestellt werden, um Moral im Sinne der Gesellschaft mit allen beteiligten, also Konsumenten, Unternehmen und der Politik, zu formen? Oder ist der Aufruf zur Diskussion über Data Ethik nicht mehr als die Angst einzelner, sich dem komplexeren Wettbewerb und der Globalisierung nicht mehr gewachsen zu sehen?


Moral im Unternehmen

An dieser Stelle sollte noch einmal abschließend angemerkt werden, dass Moral im Umgang mit Daten nichts ist, was rein auf Ebene politischer Institutionen verhandelt wird. Unternehmen müssen sich an rechtliche Vorgaben halten. Doch das heißt nicht, dass sie darüber hinaus nicht auch eigene Moralvorstellungen formen können. Nachhaltigkeit, Transparenz und der faire Einbezug von Kunden können für Unternehmen auch unabhängig von einem rechtlichen Muss ein echter Benefit im Wettbewerb sein.