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Nach dem Brexit-Votum eine Vernunftscheidung

Ein Meinungsbeitrag von BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr

Nach dem politischen Schock, den das Brexit-Votum der Briten verursacht hat, richtet sich der Blick der politischen Akteure nun auf das anstehende Austrittsverfahren. Es gibt für diesen Prozess keine Blaupause – und gerade deswegen brauchen alle Beteiligten jetzt ein geordnetes Verfahren, in dem die harten wirtschaftlichen Fakten berücksichtigt werden. Allein im vergangenen Jahr hat der deutsche Export nach Großbritannien einen Wert von fast 90 Milliarden Euro erreicht, während die Einfuhren aus Großbritannien nach Deutschland bei mehr als 38 Milliarden Euro lagen. Diese Zahlen zeigen die sehr enge Verflechtung beider Volkswirtschaften, Großbritannien ist für Deutschland der fünftwichtigste Handelspartner.

Kommt es zur Scheidung – und danach sieht es aus – sollte diese möglichst rational vollzogen werden du ein Mindestmaß an Vorhersehbarkeit und Transparenz gewährleisten. Denn sie wird in jedem Fall negative Folgen für den digitalen Binnenmarkt und für die Arbeitnehmerfreizügigkeit haben und mittelfristig wohl auch zu mehr Bürokratie für die Unternehmen führen. Der gemeinsame Rechtsrahmen, den wir derzeit mit Großbritannien haben – etwa beim Verbraucherschutz, bei Zahlungsdienstleistungen oder bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen – wird sich mittelfristig auseinanderentwickeln. Das ist ein Nachteil, der für die Unternehmen der Digitalen Wirtschaft zu höheren Bürokratiekosten führen wird. Angesichts des sehr bedeutsamen Handelsvolumens werden es spürbare Belastungen sein.

Nicht wenige Big-Player der Digitalbranche haben ihren Hauptsitz und auch ihre Server im Vereinigten Königreich. Unternehmen, deren wichtigstes Gut Daten sind. Wird Großbritannien etwa beim Datenschutz bald zu einem unsicheren Drittstaat, ist ein entsprechendes Datenschutzabkommen (vgl. EU-US Privacy Shield) von existenzieller Wichtigkeit für die Digitale Wirtschaft in Deutschland – eine Branche, in der der Daten- und Informationsaustausch in Echtzeit ebenso selbstverständlich wie unverzichtbar geworden ist. Nur ein lückenloser Übergang und umfassende Rechtssicherheit kann irreparable ökonomische Schäden vermeiden.

Einen politischen Deal, bei dem sich Großbritannien die Rosinen herauspicken kann, wird es aber nach den deutlichen Aussagen von Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung am 28. Juni sicher nicht geben. Boris Johnson schwebte hier die – aus seiner Sicht – beste aller Welten vor: keine Milliarden mehr nach Brüssel überweisen, dafür aber freien Zugang zum Binnenmarkt der EU behalten. Dass das nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand.

Das Verhältnis Großbritanniens zur EU war auch bis zum Brexit keine Liebesheirat, sondern eher eine Vernunftehe. Was wir jetzt brauchen, ist eine Vernunftscheidung, bei der beide Seiten ihre Interessen möglichst rational abwägen sollten. Dann kann es auch gelingen, die enge Verflechtung der Wirtschaftsräume zu erhalten und neue bürokratische Hürden zu vermeiden. Damit wäre nicht nur der Digitalen, sondern der Wirtschaft insgesamt gedient.

30.06.2016
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