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Parlamentsentwurf zur E-Privacy-Verordnung – ein Votum gegen den digitalen Binnenmarkt
Ein Meinungsbeitrag von Michael Neuber, Justiziar und Leiter Recht im BVDW
Am 26. Oktober 2017 hat das EU-Parlament mit knapper Mehrheit den Entwurfstext zur geplanten E-Privacy-Verordnung beschlossen. Mit 318 zu 280 Stimmen (und 20 Enthaltungen) wurde ein wesentlich geschärfter Text angenommen, der nach Angaben der Macher den Schutz der Vertraulichkeit in der elektronischen Kommunikation neu regeln soll. Das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn die jetzt beschlossenen Regelungsinhalte haben schwerwiegende Folgen für die Digitale Wirtschaft in Europa – hier besteht also überhaupt kein Grund zu Jubel, auch nicht von Seiten der Datenschutzaktivisten.
Durch eine systemwidrige Ausweitung des Regelungsbereichs des Fernmeldegeheimnisses sollen nach den neuen Regeln nun sämtliche Datenverarbeitungsszenarien erfasst werden, die mit Telekommunikation an sich gar nichts zu tun haben. Dazu gehört auch die aus dem Internet der Dinge bekannte Machine-to-Machine-Kommunikation. Solche Anwendungen werden unter dem Mantel des Datenschutzes denselben strikten Vertraulichkeitsregeln unterstellt. Diese Änderungen werden Webseitenbesuche für Nutzer nicht nur erschweren, sondern auch Webseitenbetreiber zwingen, kostenfreie – weil werbefinanzierte – Dienste künftig ohne Datenverarbeitungsmodelle anzubieten, wenn ein Nutzer in die werbebedingte Nutzung seiner Daten einwilligt.
Auch der Browser soll Datenverarbeitungen von Drittanbietern per default verhindern – so kann Privacy-by-design nicht funktionieren. Dies ist Pseudo-Datenschutz als Wirtschaftsrecht, und die Konsequenzen werden weit über die Digitale Wirtschaft hinaus spürbar sein: Angebote werden verschwinden oder kostenpflichtig, und Nutzer, die sich umentscheiden, werden mit unzähligen Einwilligungsaufforderungen und seitenlangen Informationstexten konfrontiert. Eine Einwilligung für jede Webseite und jede Verarbeitung müsste der Browser speichern und wird damit zum Zugangswächter. Einwilligungs-Plattformen, die heute schon den Markt dominieren, werden durch diese Regeln weiter gestärkt. Neue europäische Geschäftsmodelle und einen starken digitalen Binnenmarkt werden so bereits im Ansatz erstickt.
Und noch eines gehört zur Wahrheit dazu: In einem guten halben Jahr tritt eine neue Datenschutzgrundverordnung europaweit in Kraft. Sie regelt den Datenschutz on- und offline, und dies umfassend. Nicht umsonst wurden dort gesonderte Bestimmungen zu Cookies und Co. verankert und die Art und Weise geregelt, in welcher die Unternehmen solche Daten verarbeiten dürfen. Die geplante E-Privacy-Verordnung konterkariert mit einem strikten Einwilligungserfordernis und den engen Ausnahmen für jedwede Datenverarbeitung weite Teile dieser Regeln. Das ist das Gegenteil von Rechtsklarheit und -sicherheit – aber gerade diese Werte dürfen Verbraucher und Unternehmen vom Gesetzgeber erwarten.
Es ist an der Zeit, den hinter dem Entwurf stehenden politischen Aktivismus als das zu benennen, was er ist. Digitalfeindlich, rückwärtsgewandt und sicher nicht im Interesse der Online-Nutzer. Der digitale Binnenmarkt wird so künftig weniger Mitspieler kennen. Die Konsequenzen für die deutsche Digitalwirtschaft sind sicher keine guten.