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Wer entscheidet: Mensch oder Maschine?

Ein Gastbeitrag von Ingo Notthoff (T-Systems MMS), Leiter der Initiative Internet der Dinge im BVDW. Erschienen im Newsletter des IAB Schweiz vom 14. März 2016.

Vor ein paar Monaten kündigten die ersten Krankenkassen an, Smart-Watches oder Fitness-Tracker finanziell zu bezuschussen. Und eigentlich war es auch nur eine Frage der Zeit, bis die erste Krankenkasse Interesse an den Fitnessdaten zeigte. Aus Sicht der Versicherer ein absolut nachvollziehbarer Schritt – doch auch aus Sicht der Versicherten? Was folgte, war der übliche Aufschrei. Justizminister Heiko Maas mahnte in der Zeit Online, dass niemand gezwungen werden dürfe, Daten weiter zu geben und warnte gleichzeitig die Krankenkassen vor dem Zugriff auf Fitness-Apps. Und auch in sozialen Medien wurde heftig über das Thema diskutiert – mit einer Tendenz zur Ablehnung. Aber passt das noch in unsere heutige Zeit? 

Ganz wertfrei: Das ist nur ein Beispiel, wie durch das Internet der Dinge bisherige, meist über viele Jahre hinweg gelebte Prozesse und Vorgänge ausgehebelt werden und dadurch neue Geschäftsmöglichkeiten entstehen. Betroffen sind natürlich nicht nur der Gesundheitssektor, sondern durchgehend alle Branchen – von der produzierenden Industrie über den Einzelhandel bis hin zu Service-Dienstleistern. Und im Mittelpunkt stehen vor allem die Daten.

Entscheiden Daten für uns?

Diese Daten entstehen durch eine zunehmende Vernetzung von Dingen. Dies können Maschinendaten sein, aber auch – wie im obigen Beispiel – sehr persönliche und damit sensible Informationen. Entsprechend müssen wir uns gut überlegen, was wir mit diesen Daten anstellen, wer darauf Zugriff hat und wer sie für geschäftliche Zwecke auswerten darf. Um beim Fitness-Beispiel zu bleiben: Wer keinen Sport treibt oder einen deutlich zu hohen Body-Maß-Index aufweist, hat natürlich kein Interesse daran, seine Vitaldaten an die Krankenkasse oder den privaten Versicherer zu übermitteln. Und natürlich darf für niemanden ein Nachteil entstehen, wenn er beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen überhaupt keinen Sport treiben kann. Umgekehrt kann das natürlich einen Anreiz bieten: Diejenigen, die sportlich sehr aktiv sind, würden sich hingegen schon darüber freuen eventuell einen Teil ihrer Beiträge zurück zu bekommen – beispielsweise über ein digitales Bonussystem.

Doch wie sieht das Szenario dann konkret in der Praxis aus? Verhandeln die vernetzten Dinge dann selbstständig untereinander – also das Fitness-Armband mit der zentralen Recheneinheit sowie dem CRM- und Tarif-System des Versicherers? Zum Beispiel über die Einstufung in einen günstigeren Versicherungstarif? Wie viel Mitspracherecht haben wir als Menschen in dem Fall eigentlich noch? Müssen wir höhere Beiträge zahlen, wenn wir die digitale Vermessung verweigern? 

Marketing für vernetzte Dinge?

Schauen wir uns auch einen daran gekoppelten Bereich an: Unabhängig von jeder Branche hat das Internet der Dinge auch massive Auswirkungen auf das Marketing, wie wir es jetzt kennen.  War es doch vor einigen Jahren noch so „einfach“ die Kunden frontal mit Botschaften zu beschallen, so sind wir heute damit beschäftigt, alle Kanäle im Griff zu behalten – von Online-Werbung und Social Media über den mobilen Shop im App-Format bis hin zum klassischen Point of Sale. Das Schlagwort heißt Customer Journey und damit verbunden ist die Frage: Wann spreche ich den Kunden datenbasiert, individualisiert und zum richtigen Zeitpunkt an? Und dies möglichst emotional, mit dem passenden Preis und unabhängig vom Endgerät.

Schauen wir ein paar Jahre in die Zukunft und denken an die vielen vernetzten Dinge: Welche Customer Journey hat zum Beispiel ein Kaffeeautomat? Keine! Wie lässt sich eine Waschmaschine emotional aufladen? Gar nicht! Wie oft ist ein Kühlschrank im Social Web unterwegs? Nie! Wann interessiert sich eine Zahnbürste für Werbung oder sogar Content Marketing? Überhaupt nicht! Das bedeutet dann zeitgleich auch: Das heutige Marketing steht vor grundlegenden Veränderungen. 

Natürlich wird es immer Produkte geben, die nach wie vor klassisch beworben und gekauft werden – Autos oder Unterhaltungselektronik zum Beispiel. Aber Produkte des täglichen Bedarfs, wie Waschmittel, Kaffeekapseln und Zahnpasta – ganz ehrlich, die können gerne automatisiert geliefert werden. Von mir aus kann dann mein Kaffeeautomat auch selbständig aktuelle Preise vergleichen. Und wenn dann der Fernseher noch weiß, wann ich welche Sendung schaue und gekoppelt mit dem Kühlschrank  für den Fußballabend alles parat hat, das wäre doch prima. Nur welche Rolle nimmt dann das Marketing ein? Die Rolle des digitalen „Schweinebauchangebotsprospektverteilers“ für die vernetzten Dinge?

Unrealistische IoT-Szenarien?

Dies ist natürlich noch ein Zukunftsszenario. Oft auch noch ein belächeltes. Doch einiges davon wird schon in naher Zukunft Realität. Nicht zwingend so, wie wir es uns jetzt vorstellen. Vielleicht aber doch. Denken wir nur an die Fitness-Tracker und die Krankenkassen – die Digitalisierung und das Internet der Dinge lassen sich nicht aufhalten. Wegschauen ist keine Lösung. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher müssen sich damit auseinandersetzen. 

 

Quellen:

http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2016-02/datenschutz-krankenkassen-heiko-maas-fitness-armband

https://www.facebook.com/inotthoff/posts/1214585151902822?pnref=story

21.03.2016
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