Video Advertising, Erinnerungen und emotionale Höhepunkte: Was wir von Darmspiegelungen für die Werbeansprache lernen können
Immer mehr Werbetreibende investieren viel Zeit und Geld in die Erstellung hochwertiger Videoinhalte. Alles für ein Publikum, das oft eher vergisst, einen Spot jemals gesehen zu haben, als sich an das Video oder gar die werbende Marke, zu erinnern. Ein Blick auf die als Peak-End Rule bekannte psychologische Heuristik liefert wertvolle Anhaltspunkte zur Gestaltung einprägsamerer Videos.
Die Peak-End Rule und ihre Bedeutung für die Kreation von Werbung
Laut der vom Verhaltenspsychologen und Nobelpreisträger Daniel Kahneman geprägten Peak-End Rule folgen unsere Erinnerungen an Erlebtes keiner rationalen Logik, sie sind vor allem emotional geprägt. Daher würden Erfahrungen, ob positiv oder negativ, auch nicht als Ganzes bewertet, sondern danach, wie wir uns an ihren Höhepunkten und am Ende gefühlt haben. In verschiedenen Experimenten, die von Händen in kaltem Wasser bis hin zu Koloskopien einiges umfassten, erwiesen sich diese Annahmen als zutreffend.
Bei den Koloskopie-Experimenten wurden die Untersuchungsteilnehmer nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt. Während die Hälfte der Teilnehmer der schmerzhaften Prozedur in der normalen Zeitspanne unterzogen wurden, dauerte die Darmspiegelung bei den anderen etwas länger, wobei die letzten Minuten weniger schmerzvoll waren. Bizarrerweise fanden die Forscher heraus, dass Patienten, die den längeren Eingriff erlebten, diesen als vergleichsweise weniger unangenehm einstuften. Sie hatten einen positiveren Gesamteindruck und so erhöhte sich sogar die Wahrscheinlichkeit eines zweiten Besuchs beim gleichen Arzt für zukünftige Eingriffe.
Doch warum reden wir über Koloskopien, einem Thema, dass so weit entfernt von erfolgreichen Werbespots erscheint? Weil der prägende Einfluss unseres Gedächtnisses und mögliche Verzerrungen unserer Erinnerungen, auch für Werbetreibende hochrelevant ist. Tatsächlich zeigen vielfältige Untersuchungen, dass der überwiegende Teil von Werbung – selbst, wenn sie überhaupt erst einmal vom Konsumenten gesehen und wahrgenommen wird – im Anschluss nicht richtig zugeordnet oder erinnert wird.
Das Studiendesign
Um herauszufinden, ob sich die Implikationen der Peak-End Rule auf die Werbeansprache übertragen lassen, haben wir von Unruly gemeinsam mit Affectiva, einem auf Emotionsmessungen spezialisiertes Technologieunternehmen, und der verhaltenspsychologischen Beratungsagentur Astroten, eine Studie durchgeführt.
Einem Konsumentenpanel von über 1.200 Menschen wurden Werbespots verschiedener Brands gezeigt. Dabei wurden die Probanden einer biometrischen Gesichtsanalyse unterzogen, um festzustellen, wie sie emotional reagieren. Die Spots konnten so in drei Kategorien aufgeteilt werden. Videos:
- ohne emotionale Spitzen (Kontrollgruppe)
- mit mehreren emotionalen Höhepunkten
- mit einem emotionalen “Peak” am Ende
Zur Überprüfung der Marken- und Werbeerinnerung, wurde eine Woche später etwa die Hälfte der Teilnehmer erneut kontaktiert. So konnten wir herausfinden, an welche Spots und Videoelemente sie sich erinnerten.
Die Peak-End Rule erweist sich auch im Bereich der Werbewirkung als gültig
Die Studienergebnisse spiegeln die Annahmen der Peak-End Rule, übertragen auf Marken- und Werbeerinnerung, eindeutig wider und untermauern so auch die treibende Kraft, die Emotionen in der Werbeansprache zugeschrieben wird:
- Werbeerinnerung: Werbespots mit Momenten hoher emotionaler Intensität, bleiben beim Konsumenten deutlich besser in Erinnerung.
- Werbespots mit mehreren emotionalen Höhepunkten oder einem intensiven Peak am Ende, wurden eine Woche später mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit wiedererkannt.
- Die Werbeerinnerung nahm um 35% für Videos mit mehreren emotionalen Peaks zu sowie um 43% für Spots, deren emotionaler Höhepunkt am Ende lag.
- Markenerinnerung: Die Teilnehmer erinnerten sich bei Videos mit emotionalen Spitzen auch deutlich häufiger an die werbende Marke.
- Der Uplift in Bezug auf eine korrekte Markennennung für Spots mit einer emotionalen Spitze betrug im Vergleich zur Kontrollgruppe 110%. Videos, mit mehreren emotionalen Höhepunkten, erzielten sogar einen Uplift um 220%.
- Dieser Effekt war besonders ausgeprägt, wenn die Marke während der Momente emotionaler Intensität präsent war.
- Zeitspanne: Die Dauer der Spots bewies dabei keinen signifikanten Einfluss. Dies deutet darauf hin, dass kürzere Spots genauso effektiv sein können, wie längere Anzeigen, um Erinnerungsstrukturen auf Grundlage emotionaler Höhepunkte aufzubauen.
UNvergesslich?! Was Werbetreibende und Kreative daraus lernen können
Die Ergebnisse unserer Studie stützen die Peak-End Rule, die wiederum erklärt, warum Werbung mit starken emotionalen Höhepunkten den Menschen mit größerer Wahrscheinlichkeit in Erinnerung bleibt. Eine hohe Werbe- und Markenerinnerung ist ein wichtiges Puzzleteil, um Budgets optimal auszuschöpfen und Brands nachhaltig zu stärken. Werbetreibende und Kreative sind daher gut beraten, wenn sie sich an den Implikationen der Peak-End Rule orientieren, um Kampagnen zu kreieren, an die wir uns auch morgen noch erinnern:
- Wenn Marken den Menschen mit ihren Videos im Gedächtnis bleiben wollen, spielen emotionale Höhepunkte sowie ihre Synchronisation mit Marke und Botschaften eine entscheidende Rolle. Dem sollte bei der Erstellung und Optimierung von Kampagnen eine größere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
- Wir können die Erinnerung an ein Werbevideo erheblich steigern, wenn wir am Ende einen oder im Verlauf des Spots mehrere intensive emotionale Peaks erzeugen. Bei kürzeren Videos sollte der Schwerpunkt auf die Schaffung eines herausragenden Spitzenmoments gegen Ende liegen. Längere Spots liefern einen Rahmen für mehrere Höhepunkte.
- Die Markenerinnerung lässt sich maximieren, indem wir sicherstellen, dass die Marke vor allem in den emotionalsten Moment(en) präsent ist und eine Schlüsselrolle spielt. Der Fokus sollte daher nicht nur auf einer emotional fesselnden Geschichte liegen, wie es aktuell oft zu beobachten ist. Vielmehr geht es auch um smarte Timings, die den im wahrsten Sinne des Wortes gefühlten Flow der Story mit Brand und Botschaften in Einklang bringen.
Wie übersetzen wir all das in die Praxis? "Mit ein wenig strategischem Geschick und im besten Fall auch noch der richtigen emotionalen Datengrundlage, können wir diese Learnings schon bei der kreativen Kampagnenerstellung einfließen lassen und die emotionale(n) Spitze(n) entsprechend setzen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, nachgelagert bereits existierende TV- oder Herospots auf ihre emotionalsten Sequenzen hin zu analysieren und sie datengestützt optimal für die Ausspielung auf allen (weiteren) digitalen Screens zu kürzen", so Jens Oberbeck, VP, Commercial DACH bei Unruly.