Audiovisuelle Mediendienste (AVMD)-Richtlinie

Im Mai 2016 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für die Überarbeitung der audiovisuellen Mediendienste-Richtlinie (AVMD-Richtlinie) vorgelegt. Die Veränderungen in der audiovisuellen Medienlandschaft hatten die Überarbeitung notwendig gemacht, da seit der Verabschiedung der letzten Version der AVMD-Richtlinie aus dem Jahr 2010 sich einiges geändert hat.

Das Internet und der Vormarsch von Video-on Demand Plattformen wie Youtube oder Streaming-Diensten wie Netflix haben den audiovisuellen Medienkonsum verändert. Entwicklungen wie Smart TV mit Internetzugang oder Empfangsboxen für Tablets oder andere mobile Devices führen zudem dazu, dass professionelle Bewegtbildinhalte auf demselben Bildschirm konkurrieren, obwohl sie unterschiedlichen Regulierungsansätzen unterliegen. Dies stellt die klassische Unterscheidung zwischen Telemedien und Rundfunk in Frage und hat dazu geführt, dass Inhalte- und Diensteanbieter, Telekommunikationsunternehmen oder Endgerätehersteller auf denselben Bildschirmen um die Aufmerksamkeit der Nutzer konkurrieren. Dadurch verändern sich Märkte und auch die Wettbewerbsstrukturen im Medienbereich. Die durch die Konvergenz gestiegene Anbieter- und Angebotsvielfalt kann daher nur dann erhalten bleiben und den Wettbewerb befördern, wenn alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette einer konvergenten Regulierung unterliegen.

Nach langen Verhandlungen haben sich das Europäische Parlament und der Europäische Rat auf eine Überarbeitung der europäischen audiovisuellen Regeln geeinigt und die neue AVMD-Richtlinie Ende 2018 angenommen. Der Text wurde am 28. November 2018 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und ist 20 Tage danach in Kraft getreten.

Die Mitgliedstaaten haben nun ein 21 Monate Zeit zur Umsetzung. Somit muss Deutschland seine nationalen Gesetze bis spätestens zum 19. September 2020 angepasst haben.

Die überarbeitete AVMD-Richtlinie unterscheidet weiterhin zwischen linearen und nicht-linearen Angeboten und versucht die Online-Welt in den Regulierungsrahmen des klassischen Rundfunks miteinzubeziehen. Dies birgt Schwierigkeiten, daher muss sichergestellt werden, dass die Umsetzung der AVMD-Richtlinie in Deutschland zielführend gestaltet wird.

  • Bislang wurden nur lineare audiovisuelle Dienste und Abrufdienste von der Richtlinie erfasst. Mit der Überarbeitung ist der Anwendungsbereich auf alle audiovisuellen Dienste erweitert worden. Somit sind jetzt auch Videoplattformen (e.g. Youtube) und Social-Media-Kanäle, die nicht mit dem klassischen Fernsehen zu vergleichen sind, von der Richtlinie betroffen. Social-Media-Kanäle allerdings nur, wenn die audiovisuellen Inhalte eine essentielle Funktionalität des Dienstes ausmachen und der Dienst somit als Videoplattform definiert werden kann.

    Videoplattformdienste werden in der AVMD-Richtlinie wie folgt definiert:

    • Es handelt sich um eine Dienstleistung im Sinne des Art 56. Und 57 AEUV
    • Es handelt sich um eine Dienstleistung, die über elektronische Kommunikationsnetze angeboten wird
    • Der Hauptzweck des Gesamtservices/der Zweck eines abtrennbaren Teils der Services/oder eine essentielle Funktionalität des Service besteht darin:
      Sendungen und/oder nutzergenerierte Inhalte einer allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen
    • Der Dienst trägt keine redaktionelle Verantwortung, er ist aber für die Präsentation des Angebotes, auch durch automatische Abläufe, verantwortlich.
    • Es soll informieren, unterhalten oder bilden

     

  • Diensteanbieter unterliegen weiterhin den Vorschriften des Landes, in dem sie niedergelassen sind und müssen somit nicht die Vorschrift von 28 verschiedenen Mitgliedstaaten einhalten. Das Herkunftslandprinzip wurde mit der Überarbeitung weiter gestärkt und klarer definiert.

    „hat ein Mediendiensteanbieter seine Hauptverwaltung in einem Mitgliedstaat, die redaktionellen Entscheidungen über den audiovisuellen Mediendienst jedoch in einem anderen Mitgliedstaat getroffen werden, gilt der Mediendienstanbieter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem ein erheblicher Teil des mit der Durchführung der programmbezogenen Tätigkeiten des audiovisuellen Mediendienstes betrauten Personals tätig ist. Ist ein wesentlicher Teil des Personals des audiovisuellen Mediendienstes, das mit der Ausübung der sendungsbezogenen Tätigkeiten betraut ist, in jedem dieser Mitgliedstaaten tätig, so gilt der Mediendiensteanbieter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem er seine Hauptverwaltung hat. Ist ein wesentlicher Teil des Personals des audiovisuellen Mediendienstes, das mit der Ausübung der sendungsbezogenen Tätigkeiten betraut ist, in keinem dieser Mitgliedstaaten tätig, so gilt der Mediendiensteanbieter als in dem Mitgliedstaat niedergelassen, in dem er zuerst mit seiner Tätigkeit nach Maßgabe des Rechts dieses Mitgliedstaats begonnen hat, sofern eine dauerhafte und tatsächliche Verbindung mit der Wirtschaft dieses Mitgliedstaats besteht;“

    Zu diesem grundlegenden Prinzip wurde hinzugefügt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind eine Liste aller Mediendiensteanbieter, die ihrer Rechtshoheit unterliegen, zu führen und der Europäischen Kommission zu übermitteln. Diese Listen sollen dann über eine zentralen EU-Datenbank gesammelt werden.

  • Die Ko- und Selbstregulierung der AVMD-Richtlinie wurde gestärkt. Mit dem neuen Artikel 4(a) wurde festgeschrieben, dass diese Instrumente der Medienregulierung erwünscht sind und die Mitgliedstaaten diese mithilfe von Verhaltenskodizes unterstützen sollen. In der vorigen Version der Richtlinie war die Ko- und Selbstregulierung nur in einem Erwägungsgrund aufgeführt.

    Bei der Selbstregulierung haben Wirtschaftsteilnehmer, Sozialpartner, NGOs und Vereinigungen eine eigene Zuständigkeit für Ausarbeitung, Überwachung und Durchsetzung ihrer gemeinsam festgelegten Leitlinien. Bei der Ko-Regulierung teilen sich diese Akteure die Regulierungsfunktion mit dem nationalen Gesetzgeber und dieser hat auch die Möglichkeit einzugreifen, falls die festgelegten Ziele nicht erreicht werden.

    Die Verhaltenskodizes sollen so gestaltet sein, dass sie von den Hauptbeteiligten allgemein anerkannt werden. Die Ziele müssen klar und unmissverständlich dargelegt werden. Sie müssen eine regelmäßige, transparente und unabhängige Überwachung und Bewertung ihrer Zielerfüllung vorsehen und sie müssen eine wirksame Durchsetzung einschließlich wirksamer und verhältnismäßiger Sanktionen vorsehen.

    Es besteht neben dieser nationalen Selbst- und Koregulierung auch die Möglichkeit einer EU-weiten Selbstregulierung mit den gleichen Anforderungen.

  • Anbieter mit redaktioneller Verantwortung:

    • Medieninhalte müssen von Anfang an die Menschenwürde achten
    • Medieninhalte dürfen keine Aufstachelung zu Gewalt oder Hass enthalten, insbesondere nicht gegen eine nach Art. 21. EU-Grundrechtecharta geschützte Gruppe oder Teile davon
    • Medieninhalte dürfen keinen Aufruf zur Begehung von Straftaten i.S.v. Art. 5 der EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung enthalten.

     

    Anbieter ohne redaktionelle Verantwortung (unter Berücksichtigung des Haftungsprivilegs nach der e-Commerce Richtlinie) sollen geeignete Maßnahmen ergreifen, um vor Inhalten zu schützen:

    • die Aufstachelung zur Gewalt oder Hass enthalten
    • bei denen die weitere Verbreitung des Inhalts an sich eine Straftat darstellen würde und die in eine von drei Unterkategorien fallen:

      a) Art. 5 EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung

      b) Kinderpornografie entsprechend der EU-Gesetzgebung oder

      c) rassistische oder fremdenfeindliche Inhalte (Art. 1 EU-Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit)
       

    Was genau geeignete Maßnahmen dafür sind, wird nicht weiter verdeutlicht. Die Maßnahmen sollen aber praktikabel und angemessen sein und sie sollen sich nur auf die Organisation des Inhalts, nicht aber auf den Inhalt selbst beziehen. Beispielhaft angebrachte Maßnahme sind:

    • Möglichkeit der Deklarierung des Inhalts durch Nutzer
    • Vorhalten eines „Flaggings“
    • Altersverifizierung
    • Kindersicherungssysteme
       

    Kinder- und Jugendmedienschutz

    Medieninhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen könnten, sollen nur so bereitgestellt werden, dass sichergestellt ist, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht gehört oder gesehen werden können. Da heutzutage redaktionelle Inhalte auch online gefunden werden können, wurde diese Regelung dahingehend erweitert, dass es online eine Altersverifizierung dafür geben muss oder andere technische Systeme, die den Zugriff verhindern.

  • Beim TV bleibt es bei der bisherigen Regelung. Es werden allerdings neue Produkte aufgenommen, wie beispielsweise E-Zigaretten:

    „Artikel 9

    (1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die von den ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt wird, folgenden Anforderungen genügt:

    a) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation muss leicht als solche zu erkennen sein; audiovisuelle kommerzielle Kommunikation in Form von Schleichwerbung ist verboten;

    b) in der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation dürfen keine Techniken der unterschwelligen Beeinflussung eingesetzt werden;

    c) audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht

    i) die Menschenwürde verletzen;

    ii) eine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Rasse oder ethnischer Herkunft, Staatsangehörigkeit, Religion oder Glauben, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung beinhalten oder fördern;

    iii) Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden;

    iv) Verhaltensweisen fördern, die den Schutz der Umwelt in hohem Maße gefährden;

    d) jede Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation für Zigaretten und andere Tabakerzeugnissen sowie elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter ist untersagt;

    e) audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke darf nicht speziell an Minderjährige gerichtet sein und darf nicht den übermäßigen Genuss solcher Getränke fördern;

    f) audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für Arzneimittel und medizinische Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Mediendiensteanbieter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind, ist untersagt;

    g) audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht zur körperlichen, geistigen oder sittlichen Beeinträchtigung Minderjähriger führen, daher darf sie keine direkten Aufrufe zum Kauf oder zur Miete von Waren oder Dienstleistungen an Minderjährige richten, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen, Minderjährige nicht unmittelbar dazu anregen, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Waren oder Dienstleistungen zu bewegen, nicht das besondere Vertrauen Minderjähriger zu Eltern, Lehrern und anderen Personen ausnutzen, oder Minderjährige nicht ohne berechtigten Grund in gefährlichen Situationen zeigen.

    (2) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke in audiovisuellen Mediendiensten auf Abruf — mit Ausnahme von Sponsoring und Produktplatzierung — muss die in Artikel 22 genannten Kriterien erfüllen.

    (3) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes gemäß Artikel 4a Absatz 1, in Bezug auf unangebrachte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke. Diese Kodizes zielen darauf ab, die Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation für alkoholische Getränke auf Minderjährige wirkungsvoll zu verringern.

    (4) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes gemäß Artikel 4a Absatz 1, in Bezug auf unangebrachte audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die Kindersendungen begleitet oder darin enthalten ist und Lebensmittel und Getränke betrifft, die Nährstoffe oder Substanzen mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung enthalten, insbesondere Fett, Transfettsäuren, Salz oder Natrium, sowie Zucker, deren übermäßige Aufnahme im Rahmen der Gesamternährung nicht empfohlen wird.

    Diese Kodizes zielen darauf ab, die Einwirkung audiovisueller kommerzieller Kommunikation für solche Lebensmittel und Getränke auf Kinder wirkungsvoll zu verringern. Sie sehen vor, dass die positiven Ernährungseigenschaften solcher Lebensmittel und Getränke durch diese audiovisuelle kommerzielle Kommunikation nicht hervorgehoben werden.

    (5) Die Mitgliedstaaten und die Kommission können die Selbstregulierung für die Zwecke dieses Artikels mithilfe von Verhaltenskodizes der Union gemäß Artikel 4a Absatz 2 fördern.“

      

    Das Sponsoring von Kinderprogrammen darf untersagt werden. Produktplatzierungen sind jetzt allgemein möglich und nur in Ausnahmen verboten (Beispiel: Bei Nachrichtensendungen). Ist eine Videoplattform selbst an der Webevermarktung beteiligt, gilt auch Artikel  9(1) für die Plattform. Ist sie selbst nicht beteiligt, unterliegt sie einer Kennzeichnungs- und Informationspflicht, sofern sie von der Werbung Kenntnis hat.

    Die Werbezeiten wurden flexibilisiert:

    Primetime: 18:00 Uhr bis Mitternacht – 72 Minuten (6 Stunden x 12 Minuten/Stunde = 72 Minuten) Dies kann frei verteilt werden, soweit es bei einer Unterbrechung max. alle 30 Minuten bleibt.

    Nebenzeit: 06:00 Uhr bis 18:00 Uhr – 144 Minuten (12 Stunden x 12 Minuten/Stunde = 144 Minuten) Auch dies kann frei verteilt werden, soweit es bei einer Unterbrechung max. alle 30 Minuten bleibt.

    Die Zeit von Mitternacht bis 06:00 Uhr kennt nur die Vorschrift zur Unterbrechung, hat aber ansonsten keine zeitliche Limitierung.

    Isolierte Webesports sind bei Sportveranstaltungen ohne weitere Regulierung zulässig, sollen in anderen Sendeformaten aber die Ausnahme bleiben. Neutrale Programmhinweise innerhalb der eigenen Senderfamilie wird nicht als Werbung gezählt.

     

  • Video-on-Demand Kataloge wie Netflix müssen jetzt einen 30-prozentigen Anteil europäischer Werke beinhalten.

  • Die Rolle der ERGA wurde gestärkt, indem sie in die Richtlinie aufgenommen wurde und ihr eine klare Rolle bei der Gestaltung und Erhaltung des Binnenmarktes gegeben wird. Die Erga kann auf Verlangen der Kommission Stellungnahmen abgeben und soll die konsistente Implementierung der Richtlinie überwachen sowie den best-practice Austausch fördern.

  • Die Mitgliedstaaten werden dazu aufgefordert Maßnahmen zur Entwicklung von       Medienkompetenz zu ergreifen und hierüber alle 3 Jahre der Kommission Bericht zu   erstatten.  Zudem werden die Mitgliedstaaten auch dazu aufgefordert über entsprechende Aktionspläne dafür zu sorgen, dass Mediendiensteanbieter ihre Inhalte für Menschen mit   Behinderungen kontinuierlich und fortschreitend zugänglich machen.